Deutsche Athleten beim Handifly RACE in Prag

Mitte Januar 2023 fanden in der Hurricane Factory in Prag die Czech Indoor Open statt, bei denen mit dem Handifly RACE auch ein Wettbewerb für Menschen mit körperlichen, kognitiven oder motorischen Einschränkungen etabliert war. Mit Stefan Tripke, bestens bekannt als „Motor“ und Organisator des Inklusionsevents Para-TAKEOFF 2022 in Fehrbellin, Niko Johann und Jörg „Schmiddl“ Schmidtke waren auch drei Teilnehmende aus Deutschland beim Handifly RACE am Start. Vorausgegangen waren diverse Traningssessions in der Hurricane Factory Berlin, die sowohl für die Optimierung der Ausrüstung als auch für die Verbesserung der Flugskills genutzt wurden. Die Idee zur Teilnahme am Auftakt des diesjährigen Handifly RACE war bereits im Jahr 2022 entstanden, als Stefan (springt seit 2015 mit nur einem nutzbaren Arm) und Niko (deutscher Para-Bobpilot) an der französischen Ausgabe in Marseille teilgenommen hatten. Durch die positive Außenwirkung des Para-TAKEOFF 2022 wuchs das Team für die Meisterschaft in Prag um die Hälfte an und wurde durch Schmiddl verstärkt. 

Der gesamte Bericht HandiFly Race 2023 Prag – von Niki als PDF

Das Tüfteln an der Ausrüstung war insbesondere für Niko eine spannende Angelegenheit, da er – im Gegensatz zu Stefan und Schmiddl – noch kein aktiver Springer ist und beim Para-TAKEOFF 2022 auf den Geschmack kam. Mit tatkräftiger Unterstützung von Jürgen „Mahle“ Mühling von TAKEOFF Fehrbellin und dem Team von Rainbow Design gelang es, nach einer Reihe von „Testflügen“ in der Hurricane Factory Berlin im Dezember und Januar aus Knieschonern für den Motocross-Sport die passenden Orthesen zu zaubern und Niko und zu stabilen und präzisen Flugeigenschaften zu verhelfen.

Bestens präpariert und gut gelaunt fand sich der kleine Tross am Donnerstagabend in Prag ein und startete, begleitet von den Inklusionsbeauftragten des Deutschen Fallschirmsportverbandes (DFV), Gerda Klostermann und Niki Jaklitsch, am Freitag in das Event im Tunnel. Insgesamt 16 Athlet:innen mit Handicap aus fünf Nationen (Tschechien, Frankreich, Deutschland, Slowenien und Italien) hatten sich in Prag eingefunden. Zunächst stand für alle Teilnehmenden ein nicht bewerteter Testflug auf dem Programm, in dem die individuelle Referenzgeschwindigkeit für jede:n Athlet:in im Tunnel ermittelt wurde. Ziel des Handifly RACE ist es, einen vorgegebenen Parcours von Messpunkten an der Tunnelwand innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters von zwei Minuten so schnell wie möglich abzufliegen. In der Einsteigerklasse gibt es dabei zwei Messpunkte, im Expert Race, in den alle Teilnehmenden in Prag antraten, vier Messpunkte. 

Die Arbeitszeit beginnt dabei nicht beim Einstieg in den Tunnel, sondern beim erstmaligen Berühren des ersten Punktes und endet beim letztmaligen Berühren des letzten Punktes im definierten  Parcours. Vor dem Wettbewerb findet für alle Teilnehmenden eine medizinische Einordnung des Handicaps statt. Dabei wird ein

Koeffizient ermittelt, der mit der geflogenen Zeit multipliziert wird, um das Endergebnis zu ermitteln. Dabei gilt: je geringer die Einschränkung, desto größer der Koeffizient, um die verschiedenen Nachteile der Teilnehmenden auszugleichen.

Nach einem weiteren nicht geschiedsten Trainingsflug am Freitagabend machte sich unter den Athlet:innen am Samstagmorgen Wettbewerbsstimmung breit, denn die gewerteten Runden standen auf dem Programm. Los ging es mit drei Qualifikationsrunden, in denen die Teilnehmenden den Parcours auf Zeit durchfliegen mussten. Innerhalb von 75 Sekunden galt es, so schnell wie möglich zu sein. Die beste Zeit aus den drei Runden floss in die Wertung ein. Die acht besten Flieger sollten sich für die Finalrunden qualifizieren. Nach dem Halbfinale flogen die vier Besten um das Podium. Team Deutschland kämpfte in Runde 1 mit ungewohnten Bedingungen im Tunnel, der kühler temperiert war als im Training, was sich direkt auf das Flugverhalten auswirkte. Unabhängig von den sportlichen Aspekten zeigte sich an diesem Samstagmorgen in Prag aber auch das, was Stefan als „The most non-competetive competition“ bezeichnete: die gesamte Community war und ist trotz unterschiedlichster Handicaps geeint in der Begeisterung fürs Fliegen und unterstützt und feiert sich trotz aller Ambitionen stets gegenseitig.

In Qualifikationsrunde 2 musste sich Team Deutschland weiter auf den ungewohnten Tunnel in Prag einstellen, was mal mehr, mal weniger gut klappte. Schmiddl lag nach zwei Durchgängen auf dem achten Rang, gefolgt von Stefan (Platz 10) und Niko (14.). Dabei wurde Stefan nach dem Start in Runde 2 aus dem Tunnel geholt und musste erneut starten, da die Zeitnahme noch nicht bereit war. Der Fokus war dadurch verloren, aber Stefan kam dennoch professionell ins Ziel. 

In Runde drei waren die deutschen Athleten voll fokussiert und erzielten jeweils die besten Ergebnisse der Qualifikation. Lohn der konzentrierten Arbeit waren die Ränge 14 für Niko, 10 für Stefan und sieben für Schmiddl, der sich sogar noch um einen Platz verbesserte und in die Finalrunde einzog. Die Finalrunde schloss Schmiddl auf Rang acht ab. Die Vergabe der Podiumsplätze spielte sich zwischen Frankreich mit zwei Athlet:innen (Loïc Thomazet, Führender nach allen Runden vor den Podiumsflügen, und Cyrille Chahboune), Italien (Andrea Pacini) und Gastgeber Tschechien (Gabriela Knapova) ab. Im Finale ließ sich Loïc Rang eins nicht mehr nehmen. Silber ging an Gabriela vor Cyrille.

Auch wenn für die deutschen Teilnehmenden der Wettbewerb nach dem Halbfinale zu Ende war, lässt sich ein positives Fazit ziehen. Es ist gelungen, mit positiven Resultaten auf uns aufmerksam zu machen und uns in der Handifly RACECommunity weiter zu vernetzen. Für die Zukunft wollen wir weitere Athletinnen aus Deutschland motivieren, am Wettbewerb teilzunehmen. Vor allem aber möchten wir, auch mit Unterstützung des Verbandes, das Handifly RACE in einen Tunnel in Deutschland bringen, um zu zeigen, dass ein gut organisiertes Event wie in Prag auch in Deutschland möglich wäre. 

Stefan hat zudem für den Deutschen Fallschirmsportverband (DFV) bei der ISC-Tagung in Malmö in einer Arbeitsgruppe mitgewirkt, die zum Ziel hat, das Handifly

RACE mit seinen Standards als eigene Disziplin für Menschen mit Handicap im Sport zu verankern. Hierzu wurde ein Klassifikationsvorschlag erarbeitet, der vom tschechischen und französischen Verband bereits gezeichnet wurde und in Schweden weiterentwickelt werden soll. Auch der DFV wird sich dieser Klassifikation anschließen. Die Arbeit in Malmö zahlte sich schließlich aus, da die ISC beschlossen hat, mit einer „Parachuting for Disabled Commission“ ein offizielles Gremium und eine Interessenvertretung zu etablieren, um das Format Handifly RACE zu einer offiziellen Wettkampfdisziplin zu machen. 

Darüber hinaus wird der DFV auch das ParaTAKEOFF 2023, das vom 8. bis 11. Juni 2023 bei TAKEOFF Fallschirmsport am Flugplatz Fehrbellin stattfindet, stärker unterstützen. Hier sind einige spannende Aktionen geplant. Der Inklusionsgedanke, also das Zusammenbringen von Springer:innen mit und ohne Handicap, wird hier noch stärker im Mittelpunkt stehen als bei der ersten Auflage 2022. Bleibt gespannt, wir halten euch auf dem Laufenden. 

Niki Jaklitsch (Inklusionsbeauftragter im DFV e.V.)

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